Die Bergkette

Leben in verschiedenen WertesystemenNach oben ↑

Die Realität ist, dass wir in unseren Lebenswelten und auch im Vergleich untereinander, in verschiedenen Wertesystemen "zuhause" sind. Daraus resultieren Konflikte sowohl in unserem Inneren als auch zwischenmenschlich.

Hinzu kommt, dass wir, gerade in Stressituationen, zu zurückgelassenen Wertesystemen zurückkehren. Wenn es um unser Überleben geht, werfen wir unter Umständen die neuen Werte kurzzeitig über Bord. Danach kann es sein, dass wir uns dafür schämen und die Regression bereuen oder verdrängen oder sie auf andere projizieren, die man dann bekämpfen kann.

Das Bild der Bergkette.Nach oben ↑

Stellt man sich die Wertesysteme wie eine Bergkette vor, so kann man vermeiden, einen Wanderer mit den Bergen und ihren Gipfeln zu verwechseln. Der Mensch ist ein Wanderer. Er wandert in seinem Leben von einer Bergspitze zur nächsten, bis er einen Berg gefunden hat, den er bis zu seinem Lebensende nicht mehr verlässt. Aber er erinnert sich auch an die Berge von früher, er nimmt sie sozusagen mit und kann auf die damals gemachten Erfahrungen unter Umständen udn bei Bedarf zurückgreifen.

Genau genommen müsste man sagen, ist nicht ein Mensch als Ganzes, sondern jeweils ein bestimmter Lebensbereich eines Menschen auf geistiger (oder geistlicher) Wanderschaft. Zum Beispiel der Lebensbereich Familie, Beruf, Freizeit oder Glaube (Religion).

Es kommt oft vor, dass wir unsere Lebensbereiche nicht im selben Wertesystem verorten können. Dies ist durchaus eine Quelle von inneren Konflikten. Die Spannung kann uns manchmal innerlich zerreissen.
Andererseits ist gerade diese innere Spannung auch eine Quelle für Inspiration in anderen Bereichen: Wenn z. B. "orange" Lösungen aus dem Beruf plötzlich im "blauen" Familiensystem implementiert werden. Konkret: Eine systemische Betrachtung der Familienkonstellation, um in der verfahrenen Familiensituation neue Impulse zu setzen, wo die Lage vorher aussichtlos erschien.

SpiraldynamikDie Bergkette

Dort, wo im Bild der Pfeil ist, würde ein Mensch (oder der Mensch in einem Lebensbereich) seine Reise durch die Wertesysteme starten.

Unser Wanderer sieht vom Bergspitz jeweils immer nur den nächsten Bergspitz. Weiter sieht er aufgrund seiner Perspektive nicht. Der Blick zurück macht den Blick frei auf den Bergspitz, von dem er gekommen ist. Was hinter diesem unteren Bergspitz liegt, kennt der Wanderer aus der Erinnerung. Er muss es nicht unbedingt sehen. Was vor ihm liegt, kann er sehen. Es ist der nächste Berg. Ihn kennt er (noch) nicht. Er kann vielleicht, wenn es ihn interessiert, erkennen, dass dort oben auch Leben ist. Häuser, Menschen.

Unser Wanderer verweilt auf seinem Berg, solange das für ihn stimmt. Wenn da noch andere Menschen leben, dann passt er sich ihren Werten an. Er teilt mit ihnen das (neue) Panorama. Er kann von hier aus sehen, woher er gekommen ist. Er gewinnt auch einen neuen Blick auf den Bergspitz, den er zurückgelassen hat.

Wenn er auf seinem Bergspitz alleine ist (dies stünde für ein ICH-Werteystem), z. B. weil er auf die anderen nicht zählen kann, kann es geschehen, dass er sich seiner Einsamkeit bewusst wird. Nun gibt es den Weg zurück - was riskant ist, weil er für die Zurückgebliebenen (im WIR-Wertesystem) ein "Abtrünniger" ist und er deshalb viel Reue zeigen müsste, um eventuell wiedereingegliedert zu werden. Oder er wagt den unbekannten und gefährlichen Weg zur nächsten Bergspitze (zum nächsten WIR-Wertesystem), wo er mit dem Fernglas Häuser erspähen kann und Menschen.

Er riskiert viel, wenn er seine aktuelle Berspitze wieder verlässt, aber irgendwann wagt er es. Wenn er nicht der erste Mensch ist, der das wagt, dann ist da vielleicht schon eine Brücke, die er überqueren kann. Und wenn er den neuen Bergspitz erreicht hat, wird er von den Bewohnern des nächsten Bergspitzes in die neue Wertegemeinschaft eingeführt und darin aufgenommen.

Selbstverständlich nimmt er deren Werte an, denn er teilt mit ihnen eine ähnliche Geschichte der Unzufriedenheit, des Aufbruchs und der Risiken. Er erfreut sich am neuen Blick und entdeckt die Welt und sich selbst darin neu.

Mit der Zeit wird er immer mehr vergessen, welche Werte er zurückgelassen hat. Und wenn er über sie nachdenkt, werden sie ihm einengend und oftmals einfach falsch vorkommen.

Er bedauert, dass die anderen zurückgeblieben sind auf der anderen Bergspitze und nicht an seiner neuen Sicht teilhaben können. Sein Ruf aus der Ferne lockt aber kaum jemanden zum neuen Berg, denn sie können ihn nicht verstehen. Aber sie würden es ohnehin nicht hören wollen, denn er ist ein Abtrünniger, ein Verräter an ihren (heiligen) Werten.

Von daher ist die Animosität allen gegenüber zu erklären, die sich weiterentwickeln. Und die, welche weitergehen, hatten ja gute Gründe dafür. Wertekollisionen und Streit sind vorprogrammiert.

Aus einer integralen Perspektive gibt es keine Wertung der Berge udn ihrer Bewohner. Wenn man die Basis jedes Berges ansieht, so ist sie dieselbe: Die Erde. Sie trägt uns alle. Und es gibt nebst dem horizontalen Weg vom einen Berg zum nächsten Berg auch einen vertikalen Weg, in die Tiefe.

Die Höhle im BergNach oben ↑

Es kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo der Mensch sich endgültig niederlässt. Er hat "seinen" Bergspitz gefunden, sieht keinen Druck oder Grund, ihn zu verlassen. Nun gibt es eine andere Art des geistlichen Wachstums, die jeder Berg seinen Bewohnern anbietet.

Stellen wir uns vor: Jeder Berg hätte ein Höhlensystem. Und in jeder Höhle kann man Schätze finden. Dies ist ein Bild für das geistliche Wachstum, das in jedem Wertesystem möglich ist. Man verlässt die Gemeinschaft oder den Berg nicht, aber man entwickelt sein inneres Potential trotzdem. Und man entdeckt weit unten im Berg den Ausgang auf den Grund der Erde, auf welchem alle Berge stehen. Und auf jedem Berg ist auch der Blick nach oben, in den Himmel möglich, der über allen Bergen thront. Auch er erinnert uns daran, dass wir die Erde und uns selbst nicht geschaffen haben, denn er blebt unerreichbar, wie hoch ein Berg auch immer sein mag.

Gott ist überall zu findenNach oben ↑

So ist es in jedem Wertesystem möglich, Gott zu begegnen. Im Wertesystem eines Ungeborenen im Leib seiner Mutter, das einfach nur leben will, aber auf Hilfe angewiesen ist. Als wildes Kind, als arbeitsamer Erwachsener, als Outcast oder als meditierende, weise Eremitin... - unabhängig vom Berg, auf dem wir gerade stehen: Wir haben vor Gott alle denselben Wert für ihn. So hat es Jesus uns mitgeteilt. Die Liebe Gottes für uns ist der Weg für uns zueinander. So einfach es klingt, so schwierig ist es. Deshalb sind wir als Kirchenmenschen unterwegs, um einander auf diesem Weg zu helfen.

Der Weg der LiebeNach oben ↑

Das geistliche Wachstum macht uns reifer, bewusster und so lernen wir uns anzunehmen, wie wir sind. Wir lernen unsere Projektionen zurückzunehmen, wir erkennen den eigenen Schatten und die Limiten des eigenen Wertesystems. Was nicht unbedingt dazu führt, dass wir fähig werden, alle Wertesysteme zu integrieren und zu würdigen. Aber die Chance dafür stehen besser je mehr Liebe in unserem leben zu finden ist oder je weiter wir geistlich wachsen, was letztlich dasselbe ist.

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